Majuli, größte Flussinsel der Welt: Doch wie lange noch?

Majuli - Hütte am Brahmaputra

Majuli hält auch im Guinness-Buch der Rekorde des Jahres 2017 noch den Rekord für die größte Flussinsel der Welt. Allerdings wird betont, dass Majuli in den letzten 30 bis 40 Jahren ein Drittel seiner Fläche aufgrund von Bodenerosion verloren hat. Der Titel ist daher eine Trophäe, die wohl nicht mehr lange Bestand haben wird, wenn die Bodenerosion in einem solch rasanten Tempo voranschreitet. Laut Guiness-Buch hat Majuli derzeit noch eine Fläche von 880 km². Es gibt Quellen, wie Wikipedia, die größere Flussinseln nennen. Möglicherweise erfüllen sie nicht alle Kriterien für das Guiness-Ranking. Aber darüber kann man nur spekulieren. Immerhin verschafft die Ehrung der Insel eine weltweite Aufmerksamkeit. Die kann das Eiland angesichts der anstehenden Probleme auch dringend brauchen.

Die Erosion frisst das Land von Majuli

Majuli, die größte Flussinsel der Welt, versinkt in dem Fluss, der sie erschaffen hat – eine Katastrophe für die über 160.000 Bewohner der Insel. Vor allem während des Monsuns im Sommer werden große Flächen Majulis vom wilden Brahmaputra überflutet.

Welche Ursachen hat die Bodenerosion? Gemeinhin lassen sich als Gründe vor allem der globale Klimawandel, der die Gletscher schmelzen lässt, der dadurch höhere Flusspegel und ein immer heftiger werdender Mosunregen erkennen. Dazu kommt noch die extensive landwirtschaftliche Nutzung der Insel, die zur verstärkten Abholzung von Wäldern und dadurch zu erheblichem Bodenverlust an den Inselrändern geführt hat. Außerdem führen Experten die immer stärker werdende Erosion auf ein Erdbeben 1950 zurück, das so gewaltig war, dass dabei der Lauf des Brahmaputra geändert wurde. Seitdem nehmen die Überschwemmungen zu.

Majuli
Majuli © Urheber: Travelling Slacker (bearbeitet), [CC BY 2.0] über Flickr
Ein Bericht des WWF stellte unlängst fest, dass 67  Prozent der Gletscher im Himalaya abschmelzen. Dadurch steigen in ganz Indien die Flusspegel an; langfristig kann es zu einer Katastrophe kommen, wenn das zusätzliche Schmelzwasser die Gletscherseen zum Überlauf bringt und in einer gewaltigen Flutwelle in die Täler stürzt. Da der Brahmaputra im Gletschergebiet Tibets seine Quelle hat, lässt sich hier ein direkter Bezug zu dem Schmelzen der Gletscher und dem drohenden Verlust Majulis erkennen.

Das MIT Boston veröffentlichte zur Stärke der Monsunregenfälle im Juli 2017 eine Studie, die zu dem Ergebnis kam, dass die Monsunregenfälle in den letzten 15 Jahren stetig stärker geworden sind. Die Studie sah einen möglichen Grund für diesen Trend in dem leichten Anstieg der durchschnittlichen Temperatur des indischen Subkontinents. Im Gegenzug dazu erhöhte sich die Temperatur des Indischen Ozeans weniger stark. Dieser Unterschied in den Temperaturen führt zu starken Spannungen in den Luftströmungen und demnach auch zu stärkerem Monsunregen. Letztendlich sah die Studie die Ursachen für diese unterschiedliche Erwärmung des Kontinents und des Meereswassers in der Umweltverschmutzung und Klimaerwärmung. Auch auf Majuli berichten die Bewohner, dass die Regenfälle in den letzten Jahren immer stärker geworden sind und nach jeder Monsunzeit weitere, erhebliche Teile der Insel überschwemmt sind.

Zu diesen beiden Faktoren kommt dann noch die durch Menschen bedingte Abholzung des Waldes auf der Insel. Angesichts der Armut der Bevölkerung Majulis ist jedes kleine Feld, das landwirtschaftlich genutzt werden kann, für das Überleben wichtig. Die landwirtschaftlichen Nutzflächen werden jedoch durch die Bodenerosion erheblich verkleinert, was dazu führt, dass noch mehr Wald abgeholzt bzw. auch der noch bestehende Wald ebenfalls abgeholzt wird, um ihn noch als Nutzholz verkaufen zu können, bevor auch er im Fluss versinkt. Durch diesen Prozess aber wird die Bodenerosion immer weiter verstärkt – ein Teufelskreis.

Rettender Wald?

Landschaft auf Majuli
Landschaft auf Majuli © Urheber: Peter Andersen – Eigenes Werk, lizenziert unter [CC BY 2.5] über Wikimedia Commons
Bereits vor 35 Jahren hat Jadav Payeng diesen zerstörerischen Teufelskreis erkannt. Als junger Mann warnte er die  anderen Inselbewohner davor, alle Bäume abzuholzen. Jedoch wurden seine Warnungen ignoriert und er erhielt dafür teils sogar feindselige Kommentare. Also machte er sich alleine daran, einen ganzen Wald aufzuforsten – 35 Jahre später hat er es geschafft, ganz alleine 400 bis 500 Hektar Wald aufzuforsten; eine gewaltige Leistung. Die internationalen Medien wurden auf Jadav Payeng aufmerksam und er ist nun allgemein als „Forest Man“ bekannt. Manchmal reist er auch von Majuli aus zu anderen indischen Orten oder sogar ins Ausland, um dort Vorträge über die Bedeutsamkeit der grünen Lunge und den Baumbestand eines Landes zu halten. Meistens ist er jedoch mit der Aufforstung beschäftigt. Heutzutage verspottet Jadav Payeng niemand mehr. Ganz im Gegenteil, die Inselbewohner kommen sogar oft vorbei, um ihm neue Samen für Bäume zu bringen. Tatsächlich ist das von Jadav Payeng aufgeforstete Stück der Insel größtenteils vor der Erosion geschützt. Er selbst sieht die Aufforstung als seine Lebensaufgabe an und hat sein Leben dem Grundsatz Mahatma Gandhis berühmten Leitsatz gewidmet: „Sei du selbst die Veränderung, die du in der Welt sehen möchtest.“

Jadav Payeng hat in den letzten Jahren Unterstützung bei der Aufforstung bekommen: Auf Initiative einiger Akademiker wie Arif Hussain, der Doktorand in den angewandten Geowissenschaften ist, sowie Debajit Baruah, einem Biologielehrer am Majuli College, formierten sich Freiwilligengruppen, die die Uferbänke mit schnellwachsender, dichten Pflanzen aufforsten. Auch das ist ein Versuch, die Erosion zu stoppen.

Die Regierung kann nur begrenzt helfen. Nun sollen Betonsperren und Sandsäcke dazu beitragen, die Bodenerosion zumindest zu verlangsamen. Doch ingesamt passiert viel zu wenig, um den unheilvollen Prozess zu stoppen. Etliche Insulaner haben daher die Hoffnung auf Hilfe durch ihre Provinzregierung aufgegeben und flehen die Götter um Rettung an.

Lebensader Brahmaputra

Boot auf Brahmaputra
Boot auf Brahmaputra © Urheber: Akarsh Simha, lizenziert unter [CC BY-SA 2.0] über Wikimedia Commons
Während der letzten Überschwemmungen riss der Fluss  mehrere Dörfer mit sich. Doch die Armut ließ den Betroffenen keine Wahl. Die meisten kamen bei Verwandten auf der Insel unter. Sie rückten zusammen und mussten die Landverluste gemeinsam verschmerzen. Dennoch betrachten die Insulaner den Fluss keineswegs nur als Bedrohung, sondern vielmehr als Lebensader für ihre tägliche Versorgung. Neben der Fischerei wird auch viel Ackerbau betrieben. Im Schwemmgebiet gedeihen die Pflanzen bestens. Obwohl immer wieder Ernten den Fluten zum Opfer fallen, ernährt das Land seine Bewohner.

Die Einwohner bauen ihre Bambushütten vorsorglich auf Stelzen, um ihr Hab und Gut vor den Fluten zu schützen. Dennoch stellt sich die Frage, ob sie auch in 20-30 Jahren noch auf Majuli leben können oder ob die Insel dann dem Fluss zum Opfer gefallen ist. Der Ausbau des Tourismus oder die Ansiedlung anderer profitträchtiger Gewerbe scheint bei der ungewissen Zukunft fast unmöglich zu sein. Bleibt zu hoffen, dass Indien mit Hilfe der internationalen Staatengemeinschaft rechtzeitig eine Lösung für das Problem findet.